Die Zukunft des Zahlens
Zahlen wir bald nur noch digital? Welche Folgen hat das? Wann ist das Bargeld verschwunden?
▽24 Juni 2020|Bernhard Kauer
zukunftbezahlenbernhard
Bekanntlich sind Prognosen schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. Man braucht aber zwingend eine Idee davon wie die Zukunft aussieht, will man die Gegenwart gestalten. In dieser Serie von Blog Artikeln, werden wir daher jeweils ein Puzzleteil von der Zukunft betrachten.
Wenn man sich intensiv mit einem Thema auseinandersetzt, hat man teils konkrete, teils aber auch vage Ideen wie sich die Zukunft entwickeln wird. Viele Vorstellungen werden sicherlich der Mehrheit entsprechen. Ein paar wenige Thesen aber werden - gestützt auf eigene Erkenntnisse - kontrovers sein.
Den Anfang machen wir mit der Frage: Wie werden wir in Zukunft bezahlen?
Mit Bezahlen ist im Folgenden der Transfer von Geld von Käufer zu Verkäufer gemeint, der, so eine Voraussetzung der Analyse, auch in den nächsten Jahrzehnten noch bewusst stattfinden wird.
Aktuell: Umbruch
Der aktuelle Umbruch ist nicht mehr zu übersehen. Das Bargeld ist tendenziell auf dem Rückzug, die Anzahl der Bankfilialen und der Geldautomaten schrumpft stetig. Fintechs übernehmen Marktanteile und Apple, Facebook und Co. drängen in den Markt. Die Digitalisierung ist im Bezahlmarkt längst angekommen. Aber wie wird es nun weitergehen?
Offensichtlich ist, dass die Digitalisierung ein langfristiger Trend ist, den man nicht aufhalten wird. Dies wird besonders deutlich im bereits 2011 erschienen Artikel Why Software Is Eating the World von Marc Andreessen. Es lohnt sich diesen auch im Jahr 2020 (nochmals) zu lesen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass alles Analoge - auf lange Sicht gesehen - verschwinden wird, weil Software-basierte Lösungen flexibler und dadurch vor allem preiswerter sind. Will man als Gesellschaft nicht bewusst mehr Geld für einen Bereich ausgeben, wie man es zum Beispiel aus Umweltschutzgründen macht, kommt man in vielen Dingen an der Digitalisierung langfristig nicht vorbei.
Die offene Frage ist also nicht mehr, ob das Bezahlen digital wird oder nicht, sondern nur noch, wann es soweit ist!
Wann ist es soweit?
Wann werden wir alles und überall digital bezahlen können? Diese Frage zu beantworten ist recht schwierig, vor allem da die Antwort von Land zu Land unterschiedlich ausfallen wird.
So ist man in Schweden und Dänemark recht weit. Manche sehen in diesen Ländern sogar die erste bargeldlose Gesellschaft in den nächsten 10 Jahren entstehen. Viele Bank-Filialen haben bereits jetzt kein Bargeld mehr vorrätig und es gibt dadurch weniger Banküberfälle. Die Diebe passen daher ihre Methoden an und es gibt dafür deutlich mehr Computerbetrug. Die Welt wird also nicht zwingend sicherer durch die Digitalisierung.
Der Hauptunterschied zu Deutschland, in dem zurzeit immer noch etwa die Hälfte bar bezahlt wird, liegt meines Erachtens in einer ganz anderen Vertrauenskultur. Wie Daniel Ek, der Gründer von Spotify, in einem Interview erklärte, ist die schwedische Gesellschaft auf Vertrauen aufgebaut. Das geht soweit, dass die Steuerbescheide aller Schweden öffentlich sind, man somit das letzte Einkommen des Nachbarn auf die Krone genau erfahren kann. Damit ist die Weitergabe der Telefonnummer an einen Fremden zum Bezahlen per Swish App eher vernachlässigbar. Viele Deutsche finden es aber eher gruslig ihre Telefonnummern oder gar die Steuerdaten frei zugänglich zu machen.
Fehlende Akzeptanz ist also kein technisches oder regulatorisches, sondern eher ein kulturelles Problem, dass man nicht mit einem one-size-fits-all Ansatz lösen kann. In Deutschland haben wir schlicht andere Anforderungen an ein Zahlungssystem, welches existierende Produkte bisher offensichtlich nicht erfüllen können. Vermutlich liegt dies daran, dass für die handelnden Personen nie nachvollziehbar war warum Menschen noch immer mit Bargeld zahlen. Die Suche nach einem passenden digitalen Bezahlsystem ist in Deutschland daher noch nicht am Ende.
Digitalisierte Zahlungssysteme
Doch, irgendwann wird jemand das Rätsel lösen und wir werden überall digital bezahlen können. Wie wird die Zukunft dann aussehen? Wagen wir im Folgenden ein Blick in die Glaskugel.
Kein Bargeld mehr
Digital sind Zahlungen nur noch Umbuchungen von einem Konto auf ein anderes und damit erheblich preiswerter und schneller durchführbar. Offensichtlich ist, dass man hierfür kein Bargeld mehr braucht. Daher wird es einen Struktur-Wandel in der Bargeldindustrie geben, wie ihn schon viele Branchen erlebt haben. Manches wird in solch einem Prozess überflüssig, anderes wandelt sich und einiges bleibt auch wie es ist.
Durch die Digitalisierung fallen nämlich nicht nur Geldautomaten und Geldbörsen weg. Auch die Hersteller von Bargeldkassen, Geldscheinprüfern, Zählautomaten, Spezialpapier, Druckmaschinen usw. verlieren ihren bisherigen Markt. Des Weiteren werden Dienstleistungen wie Geldtransport, Barein- und Auszahlungen, sowie die Entwicklung und Wartung von Geldautomaten überflüssig.
Vollständig verschwinden wird das Bargeld aber sicherlich nicht. So wie man jetzt noch Goldmünzen kaufen kann, obwohl diese längst kein gebräuchliches Zahlungsmittel mehr sind, so wird man auch in Zukunft immer noch physische Geldgeschenke bekommen. Auch die Numismatiker werden die Münzen nicht komplett verschwinden lassen. Allein im Alltag wird man diese nicht mehr benutzen (können).
Weniger Mittelsmänner
Etwas weniger eindeutig ist die Lage beim bisherigen digitalen Bezahlen, welches in Deutschland je nach Betrachtung zwischen 25% und 50% Marktanteil im Einzelhandel hat. Zurzeit gibt es ja nicht nur um das Bargeld verschiedene Industrien, sondern auch um das Bezahlen mit Lastschrift, Giro- und Kreditkarte. Man denke nur an VISA, Wirecard, Paypal und Apple die potentiell alle daran verdienen, wenn man kontaktlos mit dem Smartphone im Laden bezahlt. Dazu kommen noch die Umsätze der Lesegerätehersteller.
Doch die Beispiele M-Pesa aus Kenia und WeChat aus China zeigen, dass man Zahlungen auch erfolgreich ohne Mittelsmänner durchführen kann. Insofern kann man davon ausgehen, dass ein effizientes digitales Zahlungssystem in Zukunft direkt zwischen Händler und Kunde funktionieren wird. Ob die Handyhersteller dabei dauerhaft in der Wertschöpfungskette bleiben können, ist fraglich.
Weniger Support
Gibt es Probleme mit der Karte, muss man diese Sperren, eine PIN freischalten lassen oder eine Kreditkartenbuchung reklamieren, so macht man dies heutzutage meist per Telefon oder reicht (immer noch) händisch ausgefüllte Formulare per Post ein. In einem komplett digitalisierten System, ist dies aber weder nötig noch möglich. Somit entfallen entsprechende Arbeitsplätze bei den Banken und in den Call-Centern. Der Trend zu weniger Bankfillialen wird also weitergehen.
Fazit
An der Digitalisierung beim Bezahlen führt kein Weg vorbei. Der Zeitplan ist jedoch Kultur- und damit Länder-spezifisch. In Deutschland hat bisher noch niemand ein tragfähiges Businessmodel gefunden mit dem man überall bargeldlos bezahlen kann. Erst damit wird der Kunde schnellere Zahlungen zu geringen Kosten bekommen und der bislang recht langsame Strukturwandel wird sich rapide beschleunigen.